Bakterien als Krankheitserreger

Bakterien sind Mikrometer kleine einzellige Organismen, die bis auf wenige Ausnahmen nur im Mikroskop sichtbar sind, aber im Gegensatz zu Viren über einen eigenen Stoffwechsel verfügen. Obwohl tausende unterschiedlicher Bakterienarten in den etwa 350 Jahren seit Entdeckung dieser Kleinstlebewesen beschrieben und systematisch eingeordnet wurden, ist davon auszugehen, dass der weitaus größte Teil – 95 bis 99 Prozent – aller auf der Erde existierenden Bakterienarten noch nicht bekannt sind.

 

In der Natur kommen Bakterien in großer Zahl vor, und zwar in praktisch jeder denkbaren Umgebung, in Boden, Erdkruste, Luft, Süß- und Salzwasser. Auch der Mensch ist von zahlreichen Bakterienarten besiedelt. Schätzungen zufolge beherbergt er auf seinen äußeren und inneren Oberflächen etwa 1014 bis 1015 Bakterienzellen als sogenannte „Normalflora“ oder „Mikrobiom“. Während auf der Haut etwa 1.000 Keime pro cm2 nachweisbar sind, finden sich auf den Schleimhäuten anderer Körperregionen deutlich höhere Bakteriendichten, etwa im Mund-Rachen-Raum oder der Vagina. Die größte Bakterienkonzentration ist jedoch im Dickdarm nachzuweisen. Hier kommen geschätzt bis zu 1012Bakterien pro Gramm Stuhl vor, die 400 bis 500 verschiedenen Arten angehören.

 

Der Mensch profitiert in vielerlei Hinsicht von seinem Mikrobiom: Verdauungsvorgänge und Entgiftungsprozesse im Darm werden unterstützt, Enzyme und Vitamine bereit gestellt und durch die Kolonisation mit harmlosen Bakterien wird, beispielsweise auf der Haut, im Darm, in der Mundhöhle und in der Vagina, die Absiedlung von krankheitserregenden – pathogenen – Bakterien verhindert.

 

Bakterien können allerdings auch eine Schädigung ihres Wirtes auslösen. Das ist dann möglich, wenn es ihnen gelingt, natürliche Barrieren zu durchbrechen. Wird beispielsweise bei einer Verletzung die Schutzschicht Haut beschädigt, können Keime der Haut oder der Umgebung in tiefere Gewebsschichten gelangen und eine Wundinfektion hervorrufen. Ähnliches ereignet sich bei der Perforation eines Hohlorgans im Bauch („geplatzter Blinddarm“), bei der massenhaft Darmkeime in die keimfreie Bauchhöhle gespült werden. Da zahlreiche Bakterienarten über Mechanismen verfügen, die es ihnen ermöglichen, sich auf künstlichen Oberflächen anzusiedeln und sich dort in einem sog. „Biofilm“ zu organisieren, stellen in den Körper eingebrachte Implantate, zum Beispiel Gelenkendoprothesen, künstliche Herzklappen, knochenstabilisierende Metallplatten und -schrauben (Osteosynthesen) sowie Gefäßkatheter eine weitere nicht zu vernachlässigende Infektionsquelle dar.

Viele Bakterien verfügen über besondere krankheitserregende Eigenschaften (Virulenzfaktoren), mit deren Hilfe sie sich der Immunabwehr des Wirtsorganismus zumindest zeitweise entziehen und die sie in die Lage versetzen, sich im Wirt auszubreiten. Von großer Bedeutung sind dabei Toxine, die bestimmte Zellen des Wirtes zerstören oder deren Stoffwechsel schädigen. So sind Vertreter des Eiterbakteriums Staphylococcus aureus in der Lage, ein wirksames Zellgift zu bilden, das zur Gewebezerstörung in der Haut führt. Manche Stämme des Darmbakteriums Clostridioides (Clostridium) difficile können durch Toxine eine schwere Schädigung der Darmschleimhaut hervorrufen. Diese gefährlichen Bakterien treten dann besonders häufig auf, wenn durch unnötige Antibiotikabehandlungen die normale Darmflora nachhaltig zerstört wurde.

Agarplatten Klebsiella pneumoniae
Verschiedene Agarplatten mit dem Bakterium Klebsiella pneumoniae

Multiresistenz, also die atypische Unempfindlichkeit von Bakterienstämmen gegenüber einer Vielzahl von Antibiotika, die normalerweise wirksam wären, ist kein Pathogenitätsfaktor im eigentlichen Wortsinn, stellt aber bei der Behandlung bakterieller Infektionen eine besondere Herausforderung dar, weil es nachweislich länger dauert, ein wirksames Antibiotikum zu finden und dementsprechend auch eine adäquate Therapie häufig erst verzögert eingeleitet wird. Insbesondere in Regionen, in denen multiresistente Bakterienstämme weit verbreitet sind, kann sich die Auswahl einer effizienten Behandlungsstrategie sehr schwierig gestalten.

 

Multiresistente Bakterien, die schwere, teilweise lebensbedrohliche Infektionen hervorrufen können, breiten sich insbesondere im Krankenhausumfeld immer stärker aus und können dort, häufig bedingt durch Hygienemängel, zu Krankheitsausbrüchen führen. Die wichtigsten dieser Erreger werden unter der Abkürzung ESKAPE, neuerdings auch ESCAPE (für Enterococcus faecium, Staphylococcus aureus, Klebsiella pneumoniae, heute oft ersetzt durch Clostridioides difficile,  Acinetobacter baumannii, Pseudomonas aeruginosa, Enterobacter spp.) zusammengefasst, ein Akronym, das auch auf die Fähigkeit dieser Mikroorganismen hinweist, durch Ausbildung wirksamer Resistenzmechanismen einer antimikrobiellen Therapie zu entkommen. In der neuen Abkürzung ESCAPE findet Clostridioides difficile als wichtiger Erreger von Durchfallerkrankungen, die besonders nach zuvor durchgeführten Antibiotikatherapien auftreten, Berücksichtigung; Klebsiella und Enterobacter sind unter ihrem Oberbegriff Enterobacterales zusammengefasst.

Typische Spezialmedien für den Nachweis multiresistenter Bakterien der „ESKAPE“-Gruppe. Bakterienkulturen wurden hier zur besseren graphischen Darstellung in Form ihrer Anfangsbuchstaben ausgestrichen. Das übliche Verfahren ist in der Abbildung oben dargestellt.

Die enormen Schwierigkeiten, die im therapeutischen Management einer Infektion durch multiresistente Erreger entstehen können, haben die Weltgesundheitsorganisation WHO im Februar 2017 veranlasst, eine Liste der Bakterien zusammenzustellen, für deren Behandlung dringend neue Medikamente benötigt werden. Zu den Keimen, bei denen der „Nachschubbedarf“ am höchsten eingeschätzt wird, gehören die sechs ESKAPE-Erreger. Sie stehen auch im Fokus des PhagoFlow-Projektes. Ob, in welchem Umfang und wann allerdings der postulierte Entwicklungsbedarf durch Forschungsinitiativen und pharmazeutische Produktionsmöglichkeiten gedeckt werden kann, ist angesichts des damit verbundenen erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwandes ungewiss.

  • Priorität 1: kritisch

    • Acinetobacter baumannii, Carbapenem-resistent
    • Enterobacterales (z.B. Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Enterobacter spp.), resistant gegenüber Carbapenemen und 3.Generations-Cephalosporinen
    • Pseudomonas aeruginosa, Carbapenem-resistent

  • Priorität 2: hoch

    • Campylobacter, Fluorchinolon-resistent
    • Enterococcus faecium, Vancomycin-resistent
    • Helicobacter pylori, Clarithromycin-resistent
    • Neisseria gonorrhoeae, resistent gegenüber 3.Generations-Cephalosporinen und Fluorchinolonen
    • Salmonella spp., Fluorchinolon-resistent
    • Staphylococcus aureus, Methicillin-resistent, Vancomycin-resistent/-intermediär

  • Priorität 3: mittel

    • Haemophilus influenzae, Ampicillin-resistent
    • Shigella spp., Fluorchinolon-resistent
    • Streptococcus pneumoniae, nicht empfindlich gegenüber Penicillin

Weltgesundheitsorganisation (WHO): Globale Prioritätenliste Antibiotika-resistenter Bakterien zur Steuerung der Erforschung, Entdeckung und Entwicklung neuer Antibiotika. 27.02.2017. www.who.int

Vor diesem Hintergrund gilt es, vorhandene therapeutische Potenziale auszuschöpfen und nach Ergänzungen und Alternativen zu konventionellen Behandlungskonzepten in der Infektionsmedizin zu suchen. Neben einer auf den Patienten und seine Infektsituation zugeschnittene – also individualisierte – Kombination aus chirurgischen Maßnahmen und optimal dosierter gezielter Antibiotikatherapie ist der Einsatz von antibakteriellen Viren – Bakteriophagen – ein Ansatz, der zunehmend in den Focus der Infektionsbehandlung rückt.